Das kommunale Wohnungsunternehmen verschickte systematisch überhöhte Nebenkostenabrechnungen. Die Partei rief zu einer Mieter:innenversammlung.
Freitagabend, der große Saal im Rathaus Mitte ist prall gefüllt, trotzdem versuchen immer noch Menschen vergeblich, einen Sitzplatz zu ergattern.
Anlass für die „Mieterversammlung“, zu der die Linke geladen hat, sind die hohen Heizkostenabrechnungen der landeseigenen Wohnungsgesellschaft WBM.
Das Unternehmen hatte vermehrt falsche Rechnungen an die Mieter:innen in ihren Beständen rund um die Karl-Marx-Allee geschickt.
Das geht zu weit. Nicht in der Karl-Marx-Allee
Im Dezember deckte die Partei die massenhaft verschickten Fehlbescheide durch ihren „Heizkostencheck“ auf: Mieter:innen haben auf der Linken-Homepage die Möglichkeit, ihre Nebenkostenabrechnung einzuscannen, Expert:innen prüfen dann, ob Anspruch auf Rückerstattung besteht.
„Laut Gesetz müssen Vermieter seit 2016 Wärmemengenzähler einbauen“, erklärt die Linke Franziska Heinisch auf der Veranstaltung. Tue der Vermieter das nicht, könnten Mieter:innen in den allermeisten Fällen 15 Prozent des Gesamtbetrags zurückverlangen.
Bereits bei 300 Mietparteien stellte sich heraus, dass sie einen Anspruch auf Rückerstattung geltend machen konnten.
Die Linke geht davon aus, dass allein in der Karl-Marx-Allee 2.000 Wohneinheiten betroffen sein könnten. Bislang seien 1.650 fehlerhafte Bescheide eingegangen.
„Bisher ist uns kein Haus der WBM in der Nachbar:innenschaft bekannt, bei dem die Abrechnung korrekt war“, so Heinisch weiter.
Als Nächstes verliest sie die Hausnummern der Karl-Marx-Allee und angrenzender Straßen, bei denen bereits bekannt ist, dass die WBM falsche Nebenkostenabrechnungen ausgestellt hat.
Eine Dame im Saal ruft „Bingo“, als ihre Hausnummer aufgerufen wird. „Toll, auch Sie haben einen Vermieter, der sie abzockt“, ruft es vom Podium zurück, zustimmendes Gelächter folgt.
Noch am selben Abend legen über 80 Mieter:innen auf der Veranstaltung Widerspruch gegen ihre Nebenkostenabrechnung ein.
„Wir sind alle wütend, so viel Geld für so wenig gute Leistung zahlen zu müssen“, erklärt eine Besucherin der taz. Eine andere berichtet, dass sie zwar für einen Hausmeister bezahle, aber nie einen sehe, und von nicht abgeholtem Müll.
Der Linken sollen auch Fälle bekannt sein, in denen ein Wohnungsunternehmen allen Mietparteien eines Hauses die Kosten erstattet hat, obwohl nur ein kleiner Teil Widerspruch eingelegt hatte.
Mit der Versammlung will die Linke auch nachbarschaftliche Strukturen stärken. „Nachbarschaft ist die Keimzelle der Demokratie“, sagt Parteimitglied Oskar Beulke zur taz. Das habe die Partei jetzt vor allem im Haustürwahlkampf gemerkt.
Viele Menschen wüssten gar nicht mehr, wer ihre Nachbar:innen sind. Wenn die Wahlhelfenden in einem Haus unterwegs seien, beobachteten sie, wie auch Nachbar:innen sich kennenlernten, so Beulke weiter.
„Das Thema Wohnen ist die zentrale Frage, die die Menschen bewegt, nicht Migration wie CDU und AfD“, sagt Beulke. Während der gesamten Veranstaltung sei noch nicht einmal das Wort Migration gefallen. „Das ist eine Scheindebatte.“
Im Abgeordnetenhaus brachte die Linksfraktion vor zwei Wochen einen Antrag ein, in dem sie einen Heizkostenfonds nach Münchner Vorbild fordert.
So soll es berechtigten Haushalten ermöglicht werden, pauschal 700 Euro für Heiz- und Warmwasserkosten zu erhalten. Jedes weitere Haushaltsmitglied soll zusätzlich 300 Euro bekommen. Die Chance, dass der Antrag Erfolg hat, ist selbstverständlich gering.